Seit nunmehr fast 20 Jahren war ich immer wieder an der Nordsee. Eine lange Zeit, wie manch einer sagen würde. Dieses Jahr war es das fünfte Mal in Friedrichskoog, dazwischen gab es noch Urlaube auf Nordstrand, in Hamburg und in Wremen. Ja, richtig Wremen und nicht Bremen. Wremen ist ein kleiner Ort, direkt neben Bremerhaven und hat ebenso einen kleinen aber feinen Kutterhafen und den kleinsten Leuchtturm, den ich bisher kennengelernt habe. Nun, reden wir aber über Friedrichskoog.
Ich glaub viele meiner Leser wissen entweder nicht wo Friedrichskoog liegt, geschweige denn das Friedrichskoog je einen Hafen hatte.
Friedrichskoog liegt in Dithmarschen, das ist in Schleswig-Holstein, also jenseits der Dauerbaustelle Elbtunnel im hohen Norden. Brunsbüttel etwa 20 Kilometer weiter oder 30 bis Büsum, also zumindest, wenn man auf der Straße fährt.
Und nicht zu wissen, dass Friedrichskoog einen Hafen hatte, tut den Friedrichskoogern eindeutig unrecht. Die Geschichte des Hafens erstreckt sich weit über 160 Jahre und zeitweise war mit 70-80 Krabbenkuttern in Friedrichskoog eine der großen Kutterflotten an der deutschen Nordseeküste zu Hause.
Wie ich den Hafen kennengelernt habe, waren es nicht mehr ganz so viele Schiffe, aber um das gute Dutzend Schiffe kam immer noch wieder in seinen Heimathafen, der insbesondere bei den Hafenfesten proppevoll war. Durch die Schleuse ging es in den Hafenpriel, das sogenannte „Krabbenloch“ und durch selbigen in die Nordsee.
Wie die meisten kleinen Häfen hatte der Friedrichskooger Hafen ein Problem: Er war tiefenabhängig. An der Nordseeküste gibt es nur wenige Häfen, die das Problem nicht haben, dazu zählen Wilhelmshaven, Bremerhaven, Büsum. Warum ich Hamburg hier nicht aufzähle? Hamburg ist zwar der größte Deutsche Hafen, aber dieser liegt an der Elbe und ist damit mit ein Problem.
Mit einem spektakulären Bau – den Trischendamm – gelang es Friedrichskoog gegen die Nordsee abzusichern. Ohne diesen hätte sich das Meer neu gewonnenes Land wieder zurückgeholt. Aber mit dem Damm verlandete nun das Gebiet unterhalb.
Das Krabbenloch versandete immer wieder, sodass ganzjährig ein Schiff damit beschäftigt war, diesen angelagerten Sand aufzunehmen und fortzuschaffen. Eine Sisyphusaufgabe.
Ich möchte nicht allein dem Tischendamm die Schuld geben. Auch die Sicherung des Fahrwassers Richtung Hamburg und dortige Vertiefungen dürften hier eine Rolle spielen. Für die richtig großen Pötte ist die Elbe zu flach, sodass die nur Teilbeladen nach Hamburg reinfahren können. Die Folge sind Ausbaggerungen in der Elbe und weitere Pläne zur Elbvertiefung. Über die Folgen spricht man dabei nicht gerne. Höhere Strömung bringt mehr Sedimente aus dem Fluss Richtung Watt und wo das ausgebaggerte Materien landen dürfte, will ich mir nicht ausmalen.
Trotz ganzjährigem Freibaggern der Hafenzufahrt in Richtung Friedrichskoog hatten, die Kutter oft nur 2 Meter Wasser unter dem Kiel. Dies führte dazu, dass etliche Schiffe schon vorher ins nahe Büsum auswanderten und dort ihre Fänge anlandeten. Was natürlich praktisch war, da dort auch die holländischen LKW bequem hinkamen, die ich auch in Wremen und Dorum schon gesehen habe und dort ganze Schiffsladungen übernehmen.
Dieses Freibaggern kostete rund 300.000 Euro im Jahr.
Irgendwann beschloss eine CDU-FPD-Regierung im Land, kleine Häfen zu schließen. Direkt betroffen war der Friedrichskooger Hafen. Lange wehrten die Friedrichskooger sich. Man ging sogar vors Gericht, da man mit einem geschlossenen Hafen, der dortigen kleinen Werft die Arbeitsgrundlage entziehen würde. Es half aber alles nichts. Vor 6 Jahren wurde das Hafentor geschlossen und stattdessen zur Entwässerung für rund 3 Mio. Euro ein Schöpfwerk gebaut. Ob die 3 Mio. eingehalten wurden, wage ich zu Bezweifeln da in den Dithmarscher Zeitungen immer wieder von Bauverzögerungen zu lesen war. Und wie viel billiger das Schöpfwerk jetzt im Jahr sein soll erschließt mir auch nicht.
Fakt ist aber: Mit der Hafenschließung wurde Friedrichskoog eine Lebensader entzogen. Klar die Bauern leben dort vom Kohl, Schafen, Rindviechern und Gänsen. Das Hauptgeld bringen aber die Touristen nach Friedrichskoog.
Natürlich sind Büsum, St. Peter-Ordung, Tönning, das Eidersperrwerk, der Westerhever Leuchtturm nicht weit von Friedrichskoog. Und somit bleibt Friedrichskoog schön zum Urlauben. Aber was wenn es die Touristen genauso machen, wie die Kutter und direkt nach Büsum gehen? Von den Unterkunftpreisen nimmt sich das nicht viel, allerdings haben die Urlauber maritime Lokalromantik direkt vor der Ferienwohnungstür.
Ich war natürlich auch diesem Urlaub am Friedrichskooger Hafen. Ich hab wie immer bei Stührks meinen Fischteller gegessen. Sorry, es heißt ja jetzt Alice’s. Es war wie immer sehr, sehr lecker. Aber irgendwie fehlte der Flair. Keine Schiffe, kein nichts und irgendwie waren bei meinen Besuchen am Hafen auch weniger Leute unterwegs. Früher war das immer eine Schau, wenn da ein Kutter hereinkam. Da freuten sich groß und klein, da gabs dann frische Krabben direkt vom Schiff. Um das heute noch zu sehen, muss man 30 Kilometer nach Büsum fahren.
Klar Friedrichskoog, hat noch die Spitze mit dem großen Badestrand. Es gibt die Seehundstation, die ihre Seebarke an die Gemeinde abgegeben hat und die nun direkt am Hafen aufgebaut wird. Aber mit dem funktionierenden Kutterhafen hat man ein breites Brett verloren.
Es ist eigentlich egal ob es der Hafen von Wremen ist, wo gerade mal drei Krabbenkutter reinpassen oder der von Dorum, wo ich schon mal am Leuchtturm saß und einem Kutter zusah, wie dieser auflag und auf die Flut wartete, um in den Hafen einzufahren oder früher Friedrichskoog. So ein Hafen ist ein Anzugs- und Kontaktpunkt. Und das kann man für einen Ort nicht mit Geld aufwiegen.
Nun die Geschichte ist noch nicht am Ende:
Noch gehört das Hafengebiet dem Land. Und das Land möchte eigentlich schnellstmöglich den Hafen an die Gemeinde verschenken. Damit das Geschenk wertig erscheint, ist man bereit noch ein paar Millionen locker zu machen. Es gibt Pläne mit Hausbooten im Hafenbecken, Geschäften, Restaurants und Läden mit denen man die Friedrichskooger Seele befriedigen will.
Erstmal will ich festhalten das man für über 3 Mio. ein Schöpfwerk gebaut hat, nun noch weitere Millionen locker ausgeben will. Von dem Geld hätte man auch locker 20 Jahre die Hafenzufahrt freihalten können.
Zum anderen fühle ich mich sehr an einen vergifteten Apfel, wie bei Schneewittchen erinnert.
Die Folgekosten, die Jahr für Jahr auf Friedrichskoog zukommen, sollte man das Hafengebiet vom Land übernehmen sind meines Erachtens unüberschaubar.
Insbesondere das Hafenbecken sehe ich hier als Risiko. Früher war dort durch die Ein- und Ausfahrt der Schiffe eine gewisse Bewegung im Wasser. Heute mit dem geschlossenen Hafentor und der fehlenden Anbindung an die Nordsee hat man mehr oder minder ein Standgewässer mit nicht gerade großer Tiefe. Heiße Sommer. Algenwuchs. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie das aussieht, wenn das Gewässer umkippt. Obwohl – brauch ich auch nicht – beim hiesigen Werratalsee weiß ich wie ein grünes Gewässer aussieht und vor allem wie es müffelt.
Sollte das passieren, wäre das sicher toll für die Hausboote. Sowas versucht man auch immer wieder bei uns am Werratalsee anzusiedeln, wobei schon einiges an Investoren abgesprungen ist und Projekte im Sand verlaufen sind, weil sich seitens der Politik einfach nichts tut um die Wasserqualität im See zu verbessern. Und auch für die dortigen Geschäfte und Restaurants – so man was findet, was sich dort ansiedeln will, wäre sowas eher suboptimal.
Auch bei zusätzlichen Ferienwohnungen sehe ich mittlerweile langsam die kritische Masse erreicht. Mehr Ferienwohnungen heißen nicht unmittelbar mehr Gäste, dazu muss man auch was bieten können, aber das hat man mit der Hafenschließung ja kaputt gemacht.
Die Risiken sind meines Erachtens hoch, dass man Friedrichskoog mit dem Geschenk ein zweites Mal tötet.
Ich denke nicht, dass die Politik in Kiel, diesen großen Fehler rückgängig machen wird. Daher bleibt nur zu hoffen, dass man es schafft sich diesen Fehler gut versilbern zu lassen, damit Friedrichskoog, auch weiter gegen die größeren Player wie Büsum, im Kampf um die Touristen und damit ums Geld eine Chance hat.
Foto: Norbert Beck / Grafik-Layout: canva PRO und Norbert Beck
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- Einst wollte er nur laufen. Dann kamen gesundheitliche Rückschläge und die Pflege eines Angehörigen, was zu einem jahrelangen Leben am gesundheitlichen Limit führte. Nun ist er wieder auf dem Weg zurück und sagt immer noch: „Ich bin schlank, man sieht doch nichts!“ Seine Ziele: gesünder leben, Kilos verlieren, Spaß haben und irgendwann wieder laufen.
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