Entspannung kann spannend sein – Lern auch mal abzuschalten

Ohmmmmmmmmmmmmm… erwartet bitte nicht, dass ich jetzt über meine Chakren mit Euch rede und wie man den Geist des Manitus beschwört. Auch in diesen thematischen Gefilden kann man sicher entspannen. Aber wer mich kennt, wird wissen, dass dies sicher nicht mein Umfeld ist. Trotzdem muss ich zugeben: Ich musste selbst irgendwann erst lernen, wie es geht mal abzuschalten und zu entspannen.

Für das Entspannen selbst gibt es keine einfache Universalanleitung. Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch entspannt anders. Jeder muss hier seinen eigenen Weg finden.

Warum ist Entspannen überhaupt wichtig?

Seit meine Mutter damals sich ihre Querschnittlähmung zuzog und gepflegt werden musste, hatte ich ein Leben nach Stechuhr. Morgens aufstehen und nicht zuerst an sich selbst denken, sondern den Tag für meine Mutter vorbereiten. Essen, Trinken, Medikamente, Unterhaltung, das Drumherum, was sie immer brauchte, Reste vom Vortag aufräumen. Dann ging es 8 Stunden arbeiten und nach Feierabend, wo andere ihre Füße hochlegten ging der Zeitplan weiter… nach Hause hasten, Essen machen, Spritzen geben, Medikamente geben, noch etwas unterhalten, weil irgendwann zu einem vereinbarten Zeitpunkt kam die Pflege und legte meine Mutter ins Bett.

Hatte ich eigene Termine oder wollte mal wohin, hieß es diese Zeit aufwendig zu organisieren. Aufgaben zu delegieren, vorzubereiten oder einfach ausfallen zu lassen.

Dies lief nicht nur montags bis freitags, sondern 365 Tage im Jahr. Entspannen, Fehlanzeige. Wirklich Krank sein? Nicht drin. Man muss funktionieren, koste es was es wolle.

In der Zeit bin ich oft über meine Grenzen hinaus gegangen. Man spürte selbst, dass dies einem nicht guttut. Der Dauerstress machte manchmal aggressiv im Ton, sorgte dafür, dass selbst der Schlaf kaum erholsam war. Immer war man irgendwie unter Strom. Das Schlimme ist, dass man sich gerne in so Situationen einen dilettantischen Perfektionismus angewöhnt.

Dilettantisch deswegen, weil man diesen Perfektionismus nur in ein paar Bereichen durchhält, dafür in anderen schlampt.

Was kann man nun machen, um diesen Kreislauf zu durchbrechen?

Man sollte sich seiner Situation bewusst werden. Man sollte für sich herausfinden, was einem am meisten stresst und nach Möglichkeit, wäre ein erster Schritt die Stressfaktoren abzustellen. Bei mir endeten die Stressursachen nicht unmittelbar mit dem Tod meiner Mutter und ich hätte mir sicher ein anderes Ende gewünscht, aber mit Abstand betrachtet, war es eine Art Notexit. Denn wie lange die Sache mit dem Prinzip „Augen und durch“ noch gut gegangen, wäre und ob ich letztlich nicht noch mehr mit meiner Gesundheit bezahlt hätte, will ich nicht beurteilen. Die Chance wäre aber hoch gewesen, dass ich irgendwann mein Versprechen – „Du kommst nicht ins Heim“ hätte brechen müssen.

Wer an Pflege denkt, denkt nach den Medienberichten nur an die Pfleger. Die Realität ist aber die, dass ohne die vielen pflegenden Verwandten unser Pflegesystem zusammenbrechen würden. Und viele dieser Menschen sind am Ende der Belastungsgrenze, so es durch die Intensität der Pflege oder dem Drumherum oder ihre eigenen Zukunftsängste.

Schopenhauer soll einst gesagt haben: „Wenn dein Leben schwer geworden ist, denk nur einen Tag in Ruhe über dich nach. Das wird dir mehr einbringen, als ein ganzes Jahr einfach nur weiterzumachen.“ Und man müsste zugeben: Ja, der alte Denker hat recht. Oft ist es nur unsere Bequemlichkeit und unser Festhalten an alten Gewohnheiten, die uns weiter dem Stress wie bisher aussetzen.

Entspannen lernen!

Jeder hat seinen eigenen Weg sich zu entspannen. Für den einen kann es das Hobby sein, für den anderen Laufen, der nächste entspannt bei Tee oder einer guten Musik, wieder ein anderer macht Yoga oder aufwendige Entspannungsübungen. Und für den ein oder anderen kann es entspannend sein einfach mal nichts zu tun.

Aus meiner Situation heraus, hatte ich verlernt, wie es ist mal einfach gar nichts zu tun zu haben. Vielleicht ist das mit auch einer der Gründe, warum ich nach dem Tod meiner Mutter erstmal in ein tiefes Loch gefallen bin. Die nächste Lösung war eigentlich noch schlimmer. Weil ich nicht anders konnte, habe ich mich dann mit Terminen zugepflastert, nur weil ich so das Gefühl hatte es wäre alles wie immer, ich hätte immer was zu tun.

Auf dem Tipp: „Nun schalt doch mal ab, lass auch mal fünf gerade sein…“, sah ich den Betreffenden, der diese Zeile von sich gab, eher ungläubig an.

Erst in meinem Urlaub an der Nordsee lernte ich, dass Abschalten guttut.

Es war in meinen ersten Urlaubstagen auf dem Deich vor Friedrichskoog Spitze. Eigentlich fährt man ja in Urlaub, um neues und neue Leute kennenzulernen. Ich hatte eher den Eindruck, ich fahre in Urlaub, um Leute, die man lange nicht mehr gesehen hat, wieder zusehen. Da waren zwei Läuferinnen, mit denen ich im Nordhessencup einige Kilometer gemeinsam hinter mich gebracht hatte. Dann noch paar Leute, die man auf seinen Touren in und um die Region zwischen Werra und Meissner kennengelernt hat. Man konnte fast den Eindruck bekommen, meine halbe Heimat war dort oben an diesem Deich.

Das Wetter hatte umgeschlagen. Es wurde windig. Und manch einer behauptet, es wurde kühl. Ich saß in T-Shirt und kurzer Jogginghose auf dem Deich und sah dem Spiel der Wolken zu. Beiher unterhielt ich mich immer wieder mit diesen Leuten, die man doch irgendwoher kannte. Es wurde dunkel, ich sah auf die Uhr und hatte doch tatsächlich fast 4 Stunden auf diesem Deich verbracht. Einfach mal so Zeit vergammeln, das kannte ich gar nicht. Aber es tat irre gut.

Erst da merkte ich, dass die Stechuhr nicht mehr da ist. 14 Tage einfach in den Tag reinleben. Einfach mal tun, wozu man Lust hat. Spazieren gehen. Oder mit seiner Fotoausrüstung sich die tollsten Fotomotive suchen. Oder auf einem Hof fahren, ein Alpaka mit einer Leine in die Hand gedrückt bekommen und mit einer Gruppe anderer Alltagsgestresster seinen tierischen Begleiter Gassi führen.

Ihr glaubt nicht wie sehr so ein Alpaka einem Entschleunigen kann. Dazu: Man kann diesem kuschelfelligem Tier einfach nicht böse sein, wenn es eben mal das Gras am Wegrand interessanter findet, als mit einem den knapp 8 Kilometer langen Rundweg abzugehen. So etwa musste es sich sicher für andere anfühlen ihren Hund auszuführen, nur dass mein Begleiter mir locker ins Gesicht gucken konnte.

Eins habe ich seit dem Urlaub beibehalten. Es gibt zwar viel, was ich nur am Wochenende erledigen kann. Ich plane aber immer mindestens einen Vormittag oder Nachmittag ein, wo einfach nichts passieren muss. Wo ich mir die Schuhe anziehen kann und eine Runde Spazieren gehe oder einfach nur die Füße hochlege oder Musik höre.

Ihr könnt mich auch für verrückt halten: Ich finde es auch entspannend sonntags mal zwei Stunden in der Küche zu stehen und was Leckeres und Aufwendiges zu kochen.

Und ich freue mich schon auf den Tag, wo ich wieder laufen kann. Auch das war früher schon immer sehr entspannend für mich.

Eins sollte man nicht machen: Ersatzbefriedigungen suchen. Alkohol bringt keine Lösung, macht nur einen dicken Kopf und eine kaputte Leber. Süßigkeiten, Snacks und einiges drumherum mag ja kurzfristig Befriedigung bringen, das aber mit entsprechenden Folgen für das Gewicht, Blutdruck oder dem Blutzuckerspiegel.

Wie entspannt ihr am liebsten? Schreibt es doch einfach in die Kommentare.

Foto: canva PRO / Layout: Norbert Beck und canva Pro

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Norbert Beck
Einst wollte er nur laufen. Dann kamen gesundheitliche Rückschläge und die Pflege eines Angehörigen, was zu einem jahrelangen Leben am gesundheitlichen Limit führte. Nun ist er wieder auf dem Weg zurück und sagt immer noch: „Ich bin schlank, man sieht doch nichts!“ Seine Ziele: gesünder leben, Kilos verlieren, Spaß haben und irgendwann wieder laufen.