Höflichkeit ist eine Zier

„Höflichkeit ist eine Zier“, diesen Spruch habe ich oft genug von meiner Mutter zu hören bekommen, genauso wie, das der Jüngere das Alter zuerst grüßt. Oft genug scheint das Grüßen aber auch nur ein Ding zwischen gleichen zu sein. Irgendwie fiel mir das bei meiner heutigen Trainingsrunde auf.

Gestern hatten wir Kaiserwetter. Strahlend blauer Himmel, Sonnenschein und heute sollte dies abrupt enden. Umso erfreuter war ich, als gegen 7 Uhr mein Wecker mir andeutete, dass ein guter Zeitpunkt wäre aufzustehen, dass draußen immer noch blauer Himmel war. Wach, war ich schon eine ganze Weile.

Ich fuhr zu den Bruchteichen am Depper bei Bad Sooden-Allendorf. Zuletzt war es mir da immer zu voll. Enge Wege, zu viel Menschen, da macht, selbst wenn man dermaßen langsam wie ich auf der Strecke dahinkriecht, das Training keinen Spaß.

Man hat dort zwei größere Teiche. Eine Runde um den kleinen sind etwa 2,4 Kilometer, um beide ziemlich genau 4 Kilometer. Ich hatte heute am Ende des Trainings 2 große Runden um beide Teiche, und eine um den großen Teich auf dem Tacho. Wovon ich die letzte Runde ging. Gut, sehen wir ehrlich, außenstehenden fällt da vom Tempo kein großer Unterschied auf, aber heute geht es auch nicht, darum wie gut ich beim Laufen aussehe oder nicht.

Normalerweise versuche ich immer freundlich zu sein. Wenn einem jemand mit einem Lächeln entgegenkommt, fällt einem selbst das Training durchaus leichter. Umgekehrt kann man auch sehr schnell spüren, wenn ich beim Training zu angestrengt bin oder irgendwas nicht stimmt. Ich grüße dann nicht mehr.

Bei meinen Trainingsrunden versuche ich immer jeden zu grüßen. Spaziergänger, Radfahrer, Skater, Nordic Walker, andere Jogger, Hunde, Pferde, Katzen, Schwäne… Ich hab für jeden ein nettes Wort. Auffällig ist, auch wenn ich extrem langsam bin, dass seit ich zumindest sowas wie einen Laufschritt an den Tag lege, dass man von anderen Joggern positiver aufgenommen wird. Ob das nun gegenseitiger Respekt ist oder die so viel beschworene Läuferkollegialität, keine Ahnung.

Heute war es mal nicht so voll an den Bruchteichen. Zumindest am Anfang nicht. Gut, es war Sonntag, es war viertel nach sieben. Und wenn man um die Zeit andere nach ihren Aktivitäten fragt, hört man meist noch was mit Bett. Oder dieses „Schatz, gehst Du Brötchen holen?“, was mehr eine Aufforderung, denn eine Frage ist.

Mir ging es eigentlich nicht ganz so gut. Die letzten Tage hatte mich mein Magen krampfhaft versucht vom Training, meiner Freizeit und meinem Leben abzuhalten. Krampfhaft ist dabei wörtlich zu nehmen. Nur meine Erfahrung mit diesen Problemen hat mich eins gelernt. Es ist besser, etwas, als gar nichts zu machen. Für die Gesundheit, fürs Wohlbefinden und ganz besonders fürs Ego. Ein ich hab zumindest etwas gemacht, hört sich immer noch besser als ein „ich habs mal wieder verkackt, weil mein Magen…“

Wenn mir was passieren würde, gibt es ja noch die Angler, die zur Not den Notarzt oder den Pfarrer zur letzten Salbung rufen würden. Gut, ich bin aus der Kirche schon vor 25 Jahren ausgetreten, der Pfarrer würde also nicht kommen und auch der Notarzt würde hier sein akademisches Viertel von Eschwege aus benötigen.

Ein paar Walker waren unterwegs. „Moin“, „Moin“… Höfliches Lächeln ob der sportlichen Aktivität des jeweils anderen. Ein Spaziergänger „Moin“… Keine Antwort.

Mittlerweile war ich am zweiten Teich und war erstaunt das nur ein Angler vor Ort war. Normalerweise sitzen hier alle 20 m Petri Jünger im hohen Gras. Heute nichts, niente, nada… immerhin der eine Angler grüßte auch freundlich zurück.

Irgendwie war ich im falschen Film. Die Walker vorhin waren, nachdem sie mich entgegenhecheln gesehen haben, hintereinandergegangen und nicht nebeneinander, wie es bei Walker eigentlich üblich ist. Ich vermute das die beiden noch recht neu sind und ihnen noch niemand das Walker-Vorurteile-Handbuch gegeben hat.

Es gab heute keine Angler.

Dafür Läufer, die sich wie Walker benahmen. Nebeneinander, sodass niemand vorbeikonnte, kam man mir entgegen, grüßte nicht zurück, im Gegenteil man ignorierte mich und vermutlich auch mein Dasein, umsonst hätte ich nicht von der einen Seite einen Ellenbogen abbekommen, obwohl ich eigentlich unnötigerweise auf die Grasnarbe ausgewichen bin. Vielleicht hätte der Obelix in mir gewinnen sollen „Darf ich liebenswürdig zu dem Römer sein? Er ist auch ganz liebenswürdig zu mir!“, dann wäre das vielleicht eine interessante Szene geworden.

Vor einem Jahr war ich in meiner Anfangszeit öfter an den Bruchteichen. Nur die steigenden Spritpreise, es sind immerhin jeweils etwa 15 Kilometer hin und diese wieder retour, und die Tatsache, dass die Wege da gerne mal überlaufen sind, machten mir die nahegelegenen Meinhardseen schmackhaft, wo ich seit geraumer Zeit fast täglich sportle.

Wenn ich auf die Zeit vor einem Jahr zurücksehe, wo ich mich noch von Bank zu Bank gehangelt habe und heute die Runde sehe, wo ich keinen rückenbedingten Stops einlegen musste, dann hat sich sehr viel getan. Auch wenn immer noch deutlich Gewicht runtermuss. Der Rücken kann mir zwar immer noch schnell mal ein Training vermiesen, aber das ist deutlich weniger geworden. Und ja… Ich habe gelernt, dass ich ohne Extrasport nicht laufen kann und laufen das mach ich einfach zu gerne.

Seen haben auf die Läuferseele eine komische Ausstrahlung. Das Hirn sagt: Laufen wir drumherum. Der Bauch sagt: “Dieses Hirn: getragen werden und ständig scheiß Ideen.” Worauf das Hirn dann antwortet: „In Scheiße machen kennst Du Dich ja aus..“

Macht man mehrere Runden um die Seen, dann ist es normal das man Menschen nicht nur einmal trifft. Mein Problem ist, dass ich mir nur besondere Gesichter merke. Und so kommt es das ich, wenn ich so drei Runden laufe sicher so manchen zwei oder dreimal grüße.

Was ich aber seltsam fand, waren die die nicht zurückgegrüßt haben. Es waren durchweg die älteren Kaliber. Manch einer sah drein, als wenn man ihm mit einem freundlichen „Guten Morgen“ die Pest an den Hals wünschen würde oder gleich rausplatzen möchte „Guter Morgen, ich geb Dir gleich guter Morgen, ich wüsste nicht, was an diesem Morgen gut sein soll!“.

Wie gesagt, ich hab von meiner Mutter gelernt, dass der Jüngere die Älteren grüßt. Und so werde ich auch diese Alltagsgenossen weiter grüßen, auch wenn sie weiter vor sich hin muffeln. Schade finde ich eben, dass meine Mutter mir ebenso gelernt hat, dass die Älteren höflich zurückgrüßen, wenn sie gegrüßt werden. So hat sie es mit weit über 80 Jahren bis vor ihrem Tod gehalten.

In meinem Leben war ich viel mit Älteren umgeben. Das mag wohl dran liegen, dass unter 50 Jahren eben mehr Menschen in seinem Umfeld älter als jung sind. Übersteigt man die 50 gehört man dann selbst langsam zu den „Alten“, auch wenn die ganz Alten dann immer noch grinsen und ein „Komm erstmal in mein Alter“ zum Besten geben. Aber, aus dieser Zeit kenne ich das Gelästere über die „Jungen“, dass diese unhöflich sind und es deshalb zu nichts bringen würden. Das möchte ich an dieser Stelle dem einen oder der anderen Ältern ins Hausaufgabenheft schreiben: Höflichkeit ist keine Einbahnstraße.

Ich war froh, dass heute nicht ganz so viele Leute unterwegs waren. So konnte ich sehen, wo ein Schwanenpaar ihr Nest hatten. Nein, ich werde es nicht ausplaudern, damit andere die brütenden Tiere stören können. Schwäne sind ohnehin noble und äußerst zuvorkommende Vögel.

An den Meinhardseen habe ich ein Schwanenpaar kennengelernt, was weiß wie man über die Straße geht. Ich stelle mein Auto dort etwas versteckt an einem Anglerteich ab, meist so das ich wieder gut wegfahren kann und niemand störe. Nun sehe ich da allabendlich, wie die beiden Vögel aus dem Teich kommen, an den Straßenrand gehen, nach rechts und links gucken, der Herr im Bunde gibt dann ein lautes Geräusch nach dem Motto „Hier komm ich“ von sich und dann watscheln beide über die Straße. Ganz gemächlich und genüsslich. Wenn da ein Auto kommt, wird dieses angesehen und langsam weiter gewatschelt, so als ob dieses nicht da wäre. Und das Auto… tja, das muss eben warten.

Auch war ich erfreut, dass die kleine sumpfige Aue zwischen den Teichen wieder feuchter ist. Scheinbar hat es was gebracht, dass man nach Waldarbeiten den kleinen Bach am Wald wieder freigelegt hat. Es war schon ein Trauerspiel als im letzten Jahr dort alles mehr oder weniger vertrocknet aussah.

Für meinen Teil war ich mit den Runden und der Tatsache, dass ich über 10 Kilometer unterwegs war sehr zufrieden. In dem Sinne Euch ein „Moin“ und mir einen schönen Nachmittag mit vorkochen, aufräumen und Rechnerspielereien.

Foto: Norbert Beck / Beitragsbild-Layout: canva PRO und Norbert Beck

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