Poser brauchen keine Bremse

Neulich fuhr ich mit dem Auto Richtung Meissner, dem König der hässlichen Berge, sorry ich meine hessischen Berge. Kleiner Ausflug, etwas im stillen Wald spazieren gehen. Das war zumindest der Plan.

Am Bahnhof am Kreisel schließen sich zwei Wendehammer an. An dem einen steht die Persiluhr und dort endet die Friedrich-Wilhelm-Straße. Der andere endet eine Straße mit Wendehammer vor dem ehemaligen Kino Palette oder dem späteren Theater miniPolitan. Ein Bolide von Auto steht da, ein Kaventsmann von Kerl mit viel Bling-Bling und seiner weiblichen Begleitung und ein Handy macht fleißig klick und ich denke noch so „Was für ein Poser…“ und wie ich so denke „Was für ein Poser“, denk ich mir so: „Das kann in meinem Umfeld nicht vorkommen.“

Poser, eine abwertende Bezeichnung für eine Person, die äußere Merkmale, wie Kleidung und Frisur, Nobelautos oder ähnliches geltungsbedürftig zur Schau stellen, um zu versuchen, andere, die zu ihrer Subkultur gehören, zu beeindrucken. Posing mit unzulässig getunten Autos einhergehend mit Lärmbelästigung kann mittlerweile recht teuer werden. Im Extremfall kann man dann auch einige Monate zu Fuß gehen. Aber auch in den sozialen Medien ist viel mehr Schein als sein.

Mit meinem Gedanken – dass es in meinem sportlichen Umfeld sowas nicht gibt – wurde ich ziemlich schnell eines Besseren belehrt.

Vor etwa 30 Jahren wurde, bekam ich ein Fahrrad von meinem Vater. Dieser war Schlosser und hatte dies aus Altteilen extra für mich gebaut. Das Teil hatte Dreigangschaltung, man war ich damals darauf stolz. Drei Gänge. Damit kam man zwar nicht dem Meissner hoch, aber man fühlte sich wie ein kleiner Gott. Natürlich gab es kein Twitter und Facebook, wo man dieses „Wunder“ hätte zur Schau stellen können. Mit diesem Rad war ich dennoch einmal auf dem Meissner.

Heute weiß ich, dass ich vor dreißig Jahren viel falsch gemacht habe. Extrem viel.

  • Ich hatte eine Jogginghose statt einer hautengen Radlerkluft mit Popoprotection an.
  • Ich bin mit dem Fahrrad auf der Schulter einen Hang hoch, der mich bis zum Friedhof des ehemaligen Bergbaudörfchen Schwalbenthal brachte und habe das Rad nicht am oder im Auto verstaut und bin mit diesem hochgefahren. Natürlich sah ich als ich oben ankam, wie durchgeschwitzter Lumpi auf zwei Beinen aus und nicht so frisch und sauber wie der Autofahrer.
  • Beim Berggasthof habe ich eine Portion Waffeln mit Vanilleeis und heißen Himbeeren gegessen, statt stylischer Fotos fürs Internet zu machen. Internet gab es damals zwar in der heutigen Form noch nicht, aber das hätte ich vorahnen müssen. Dann könnte ich Euch heute mit einer Fotostory imponieren und ihr würdet fleißig den Daumen hoch machen und… ach lassen wir das doch einfach. Verpasst.
  • Außerdem bin ich mit dem Fahrrad den Berg wieder runtergefahren und dank überhitzter Bremsen in einem Maisfeld hinter Vockerode rein gerast und hab mich einmal kräftig auf die Fresse gelegt. Richtig wäre gewesen, das Fahrrad nach dem Bilder machen wieder ins Auto zu packen und mit diesem wieder herunterzufahren. Autos haben halt einfach die besseren Bremsen. Meistens zumindest…

Natürlich war mein vorgehen komplett falsch und total unterbelichtet. Denn ich habe diese Aktion gebracht, als es noch keine sozialen Medien gab. Was hätte ich für Views auf TikTok gehabt, mit einem Livevideo, bei dem ich mit vollem Tempo mit dem Rad ins Maisfeld gerast und auf die Fresse geflogen bin.

Die ganzen Bilder, einer Fotostory und allem drum und dran, für die man mich bewundert hätte, die ganzen Likes und Klicks. Alles verschenkt. Und natürlich hätte ich ins Krankenhaus gehen müssen, auch wenn ich nur ein paar Schrammen gehabt habe. Auch Mitleidklicks sind Klicks.

Man sieht, auch jemand wie ich lernt noch dazu.

Falls jemand es nicht verstanden hat. Das vorstehende war Satire. Die Fahrt mit dem Rad ins Maisfeld war echt und passierte tatsächlich vor langer, langer Zeit. Leider passierte genauso dieses Posing eines Bikers auf dem Meissner, samt dem Foto machen. Ob er die Bilder irgendwo gepostet hat, kann ich nur vermuten.

Für meinen Teil schreibe ich lieber über Dinge, die ich echt erlebt habe oder wie ich über bestimmte Dinge denke. Man nennt dies auch Authentizität. Davon leben sowohl mein Blog, als auch mein Podcast. Nur mal für den schnellen Klick für Klicks, mit der Kamera wohin fahren, das hat eigentlich keiner nötig. Dazu gehören für mich auch gefährliche Aktionen, nur weil man hofft damit noch mehr Redaktionen hervorrufen zu können oder Aktionen wo man als selben Grund andere, die Umwelt oder sonst was drumherum verletzt. Ich finde es schade, dass Menschen sich für so etwas begeistern können oder glauben, damit beeindrucken zu müssen.

Eigentlich sind diese Menschen arm, obwohl sie, wenn sie selbst genauer hinsehen, auch so sehr facettenreich sind. Die meisten zumindest…

Foto: Norbert Beck und canva PRO / Beitragsbild-Layout: canva PRO und Norbert Beck

Rechtschreibung

Die Interpunktion und Orthographie dieses Textes sind frei erfunden. Eine Übereinstimmung mit aktuellen oder ehemaligen Rechtschreibregeln wäre rein zufällig und ist nicht beabsichtigt.

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Norbert Beck
Einst wollte er nur laufen. Dann kamen gesundheitliche Rückschläge und die Pflege eines Angehörigen, was zu einem jahrelangen Leben am gesundheitlichen Limit führte. Nun ist er wieder auf dem Weg zurück und sagt immer noch: „Ich bin schlank, man sieht doch nichts!“ Seine Ziele: gesünder leben, Kilos verlieren, Spaß haben und irgendwann wieder laufen.