Bahnhof im Morgengrauen, so viele Züge gehen. Doch Sylt auf einem Fahrplan hab ich nie noch nicht gesehen.
Ja, jetzt gilt es fast zwei Monate des 9-Euro-Ticket. Noch im August und dann ist das Billig-Bahnfahren erstmal vorbei. Aber keine Angst. Nachfolge-Angebote sind schon in Planung, und ganz so schlecht, wie die Medien, die Bahn, die Politiker oder die Gewerkschaften Euch die Sache reden wollen, ist sie eigentlich nicht.
Erstmal eins: Nahverkehr für Langstrecken nutzen, entschleunigt. Das sollte man sich schonmal klar sein. Allerdings muss das je nach Standort nicht mal schlecht sein. Aus dem Ort, wo ich komme, ist man mit IC und ICE in Richtung Rheinland kaum eine Stunde kürzer unterwegs. Wenn man bahntechnisch im Niemandsland liegt, sind Fahrzeiten schonmal schnell relativ.
Ich habe mit dem Ticket zwei größere Fahren gemacht. Einmal nach Koblenz an Rhein und Mosel und dann nach Bremerhaven. Die Erlebnisse hätten nicht unterschiedlicher sein können. Und jetzt muss der ein oder andere stark sein: Wenn es Probleme gibt, liegt dies nicht immer nur an der Bahn.
Irgendwie konnte ich es nicht verstehen, dass der Cantus zwischen Bebra und Fulda fast 20 Minuten Verspätung eingefahren hat. Immerhin sprechen wir von einer Strecke von nicht mal 100 Kilometern und einer Verbindung zwischen Startbahnhof und Zielbahnhof. Sprich, der Zug ist in Bebra pünktlichst losgefahren.
Wenn mir aber eins aufgefallen ist, dann das die Züge, die direkt von der Deutschen Bahn kommen pünktlicher unterwegs waren. Zumindest bei den Verbindungen, die ich gewählt hatte.
Man hat vor dem Start des Tickets viel gelesen. Überfüllte Züge, überfüllte Gleise und so weiter und so fort. Die Bahn könne das Angebot nicht stemmen, wurde propagiert. Jetzt so im Nachhinein muss ich sagen: Das Problem sind eher die Fahrgäste.
Bevor man in einen Zug steigt, sollte man sich schon Fahrplan und Ticket beschafft haben. Mittags, wenn die ganze Welt auf den Beinen ist, ist eher eine Garantie für volle Züge. Aber warum sollte man schon morgens um 4 Uhr in einen leeren Zug steigen, da sieht einen ja keiner!
Auch informiere ich mich nicht, was ich mitnehmen darf, damit ich entrüstet auf dem Bahnsteig stehen kann, wenn die halbe Wohnungsausstattung, dann noch nicht in den Regionalexpress nach Buxtehude passt.
Und Maskenpflicht im Nahverkehr? Nie von gehört.
Wenn die Menschen sich mal mehr Gedanken machen würden, bevor sie etwas machen, dann wäre manches viel einfacher. Vielleicht hätte die Polizei um Hamburg oder Berlin nicht den ein oder anderen Zug wegen Überfüllung räumen müssen.
Auf meiner Fahrt nach Koblenz lief eigentlich alles gut, bis auf irgendeiner Station vor Mainz. Da meinte ein Tross Radfahrer in den Zug einsteigen zu müssen und dazu war man noch der Meinung, die restlichen Fahrgäste müssten Platz machen.
Um hier mal paar Sachen zu lösen: Fahrräder stehen so ziemlich am Ende der Beförderungskette. Eine Mitnahmepflicht oder Mitnahmegarantie gibt es hier nicht. Vor dem Fahrrad kommen noch so unwesentliche Dinge wie Passagiere mit ohne Fahrrad, Rollstühle, Rollatoren, Kinderwagen. Sollte dann noch Platz sein, dann ist der Radfahrer dran. Für die Betreffenden ärgerlich, dafür können aber die anderen Fahrgäste nichts und man muss sie nicht deswegen anpöbeln.
Und wenn man die Bahn-App nutzt, steht bei den Verbindungen auch bei, ob man das Rad mitnehmen sollte, oder eben nicht. Wobei Bahn-App benutzen ist eh eine Sache für sich. In Cochem auf dem Bahnhof stand tatsächlich ein Mann vor mir, der den Abfahrtplan der Züge (hing da im praktischen A2-Format) abfotografierte, weil – so die Begründung – er immer wissen wolle, wann ein Zug fährt.
Bei seinem Handy handelte es sich nicht um ein Nokia 3210, sondern um ein halbwegs aktuelles Smartphone. Sicher wäre die Bahn-App darauf gelaufen. Nicht nur das, man hätte sich auch manches grummeln sparen können. Den der Zug aus Luxemburg Richtung Koblenz verspätete sich nicht nur um 5 Minuten, sondern am Ende um ganze 55 Minuten. Dies sagte die App schon etwa da, wo am Bahngleis noch 15 Minuten angezeigt wurde und mit der Begründung, dass der Zug ein Triebwerksschaden hat.
Da am Ende innerhalb 15 Minuten drei verschiedene Züge in meine Richtung einfuhren, stieg ich in den letzten und leerem Zug ein.
Menschen können lieb und nett sein. In Massen verwandeln sie sich in Lemminge. Es war „Rock am Ring“ am selben Wochenende, wo ich in Konstanz war. Und von und nach dem Festivalgelände fuhren Busse. Eigentlich alles klar beschildert. Ich kann nur vermuten, dass die Betroffenen nicht wussten, wie ein Bus aussieht, als diese verzweifelt nach einer Weiterfahrt zum etwa eine Stunde entfernten Festivalgelände suchten. Das Schlimme nur: Es war kein Einzelfall.
Am Folgetag setzten die Rückfahrer ein. Man hatte ein Gleis geschaffen, wo man die ganzen Festivalleute – teilweise mit Sonderzüge – aus Koblenz wegbringen wollte. „WO IST DEN UNSER BAHNSTEIG?“. Noch größer konnten die Markierungen nicht sein. Sie hätten die Fahrgäste sonst vielleicht erschlagen.
Und sind wir mal realistisch. Hätten die Zugbegleiter die Maskenpflicht durchgesetzt, wären die Züge mitunter nur noch halb besetzt gewesen und nach Diskussionen nur Stunden später losgefahren.
Meine Fahrt nach Bremerhaven fing erstmal damit an, dass nichts mit Fahrt war. Man steht am Bahnsteig und der Zug kommt nicht. Nicht nur, dass auch der Folgezug war ausgefallen. Bei dem ersten Zug fehlte der Zugführer, beim zweiten das Personal, was offensichtlich zwei Stationen vor Bremen wieder aufgenommen wurde, denn ab da fuhr der Zug wieder fahrplanmäßig.
Die Verbindung, die ich nahm, ging zwei Stunden später, fuhr aber ebenso bequem durch und alles pünktlich.
Die Rückfahrt von Bremerhaven wurde zum Abenteuer. Am selben Tag kam die „Mein Schiff 4“ von Kreuzfahrt auf hoher See zurück und entlud seine Passagiere. Scheinbar ist es bei vielen Reedereien jetzt gang und gäbe, dass deren Tickets auch in Zug und Bahn gelten, damit man nicht mit dem Auto zum Schiff zu fahren hat. Auf der einen Seite praktisch, auf der anderen Seite ärgerlich, wenn da einige hundert Passagiere mit teilweise 5, 6 großem Gepäckstücken am Bahnsteig stehen, um sich wenig später in einen Regionalzug zu quetschen, der von Bremerhaven bis Hannover fahren wollte.
Hannover war für mich das einzige Negativerlebnis während der ganzen Bahnfahrerei, wenn man mal von Göttingen absieht.
In Hannover angekommen, sah alles erstmal easy aus. Zug kam an, 55 Minuten Pause, dann fährt einen Bahnsteig weiter der Zug nach Hause ab. Also ein Mal Treppe runter, einmal rauf. Dazwischen Klo, was trinken, was essen. Super.
Die Realität sah anders aus. Ich kam auf dem Bahnsteig, wo es weiter Richtung Göttingen gehen sollte an, dort wartete man auch auf einen Zug in die Richtung, aber auf einen IC der immer später und später kam. Beide Züge, also der IC und der Metronom wurden auf demselben Bahnsteig angezeigt. Bis plötzlich die Gleisanzeige sich beim Metronom änderte. Keine Ansage, kein nichts, plötzlich stand dort ein Gleis drei Gleise weiter.
Formal laut Anzeige sollte auf dem neuen Gleis nur ein Zug warten, der nach Göttingen. Tatsächlich stand da erstmal gar nichts. Nur die plötzliche Ansage über nicht einem, sondern zwei einfahrenden Zügen, die seltsamerweise die gleiche Zugnummer aufwiesen, aber unterschiedliche Ziele. Der eine fuhr nach Ülzen, der andere nach Göttingen. Oder um es einfach zu sagen: Wer von Ülzen nach Göttingen will, muss in Hannover aus seinem Zug aussteigen, um in einem anderen Zug der die gleiche Strecke befährt einzusteigen.
Wirklich erfahren hat man das erst auf dem Bahnsteig, als ein alternder Bahnmitarbeiter sagte: „Nach Göttingen, da müssen sie an das andere Ende des Bahnsteigs…“ also quer durch die Massen, die nach Uelzen wollten. Ich hatte das Glück, ein relativ leeres Abteil zu finden.
Doch ich will auch ehrlich sein. Abfahren hätte der Zug eigentlich nicht gedurft.
Irgendwann muss es auf dem alten Gleis doch eine Ansage gegeben haben. Auf einmal stürmten Menschenmassen in den Zug. Und wäre man ganz genau, hätte der Zug eigentlich zu dem Zeitpunkt schon 5 Minuten weg sein müssen.
Am Ende fuhr der Zug mit 18 Minuten Verspätung los. Übervoll. Die Menschen standen in den Ein- und Ausgängen, in den Gängen selbst. Kein Wunder, dass keine Begleitperson zur Fahrscheinkontrolle erschien. Sie wäre ja nicht in den Zug hereingekommen. Noch schlimmer, dass niemand sich an die Maskenpflicht hielt.
Einzige Zeit später warnte mich die Corona-App, dass ich Kontakt zu infizierten gehabt haben könnte. Tatsächlich wurde ich zum Glück nie positiv.
Durch die Verspätung fuhr man nun in Göttingen auf einem anderen Gleis ein. Leider dem einzigen mit defektem Aufzug. Auffällig war hier, dass seltsamerweise die Menschen, die schnell als Kanaken oder mit anderen befremdlichen Begriffen abgewertet werden, diejenigen waren, die bei Kinderwagen und Rollstuhl als erste mit angefasst haben. Vielleicht sollte der ein oder andere seine Begrifflichkeiten und auch seine Vorurteile überdenken. Es gibt weder nur den Sauberdeutschen, noch nur irgendwelche „Gammelassis“. Überall gibt es eher positiv oder eher negativ auffallende Menschen und das unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Sprache.
Insgesamt, habe ich bei meinen Fahrten genau das geboten bekommen, was ich erwartet habe. Nahverkehr fahren ist, kein ICE-Fahren. Wobei ich bei einem Zug doch etwas perplex war, dass dort in rollendes Bistro durch die Gänge geschoben wurde und Kaffee und Brötchen anbot.
Ich werde mindestens noch einmal eine Tagestour machen. Ich brauche eine neue Smartuhr. Hier vor Ort habe ich leider keine passenden Angebote. Also komme ich nicht darum, mal einen Tag nach Erfurt oder einem anderen Ort zu fahren, wo ich einen Elektrodealer vor Ort habe und selbst dafür lohnt sich das 9-Euro-Ticket.
Fahre ich mit dem Auto nach Erfurt, verballere ich ruckzuck für etwa 15-20 Euro Sprit. Dazu noch einen Parkplatz, wo auch nochmal bis zu nem 10er dazu kommen. So fahre ich für 9 Uhr, komme entspannt in Erfurt Hauptbahnhof an. Gehe 500 m die Straße runter, hab alles, was ich brauche vor der Nase und brauch mich nicht über den Zoo auf den Straßen aufzuregen.
Je nachdem wie teuer die Nachfolgetickets werden, werde ich sicherlich auch die nutzen und das trotz dann irgendwann neuem E-Auto.
Foto: canva PRO / Beitragsbild-Layout: canva PRO und Norbert Beck
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- Einst wollte er nur laufen. Dann kamen gesundheitliche Rückschläge und die Pflege eines Angehörigen, was zu einem jahrelangen Leben am gesundheitlichen Limit führte. Nun ist er wieder auf dem Weg zurück und sagt immer noch: „Ich bin schlank, man sieht doch nichts!“ Seine Ziele: gesünder leben, Kilos verlieren, Spaß haben und irgendwann wieder laufen.
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