Bitte lasst meine Freunde in Ruhe

Wenn ich trainiere, bin ich nicht schnell unterwegs. Mal laufe ich, mal gehe ich, so wie es passt. Oft sind es Strecken in schöner Natur. Da kommt es öfter schon mal zu Begegnungen mit tierischen Freunden.

Ich kann mich noch an ein Reh erinnern, was ernsthaft glaubte ich würde des im Weizenfeld nicht sehen. Mir sind temporär schon Hunde zugelaufen und ein Bussard glaubte ernsthaft, dass jemand wie ich einen Baum hochklettern würde, um seinen Nachwuchs zu stören. Ich habe schon einiges erlebt.

Sorry, nein, stimmt nicht. Es gibt Dinge, die hat man noch nicht erlebt und am Ende des Tages, möchte man sie lieber auch nicht erlebt haben.

Wenn ich an den Bruchteichen trainiere, dann gerne früh morgens. Früh morgens ist da die Welt noch in Ordnung. Früh morgens sind kaum Menschen da. Früh morgens ist da eine besondere Luft. Früh morgens kann man dort auch noch Tiere sehen.

Nachmittags ist es dort voller Menschen. Wandergruppen und die man schon einen Kilometer gegen den Wind hört. Und dann hörst Du das jammern: „Es gibt hier ja gar keine Tiere…“. Welch ein Wunder auch?

Junior jagt an der Wiese die Enten. Früher haben wir diese gefüttert. Heute schreiten die Eltern nicht mal mehr selbst ein, wenn ihre Kinder Tiere quälen. Und das Jagen ist noch das Harmloseste. Man kann ja auch Steine oder Äste werfen, das tut den Tieren ja nicht weh.

Ja, es ist der Sarkasmus, der hier aus mir spricht, denn es gibt Szenen, die machen mich wütend.

Bei uns in der Gegend hat sich der weiße Reiher niedergelassen. Seltene Tiere. Geschützte Tiere. Man sieht ihn auch an den Bruchteichen. Wohl gemerkt, man sieht ihn. Wenn man ihn hört, wurde er meist gestört.

Es war auf meiner ersten Runde, wo ich eine Dame nahe dem Anglerheim, auf einer Landzunge rumschleichen sah. Handy in der Hand und auf der Pirsch nach dem Ziel der Begierde.

Wenige Momente vorher hatte ich den Reiher noch tief übers Wasser fliegen sehen. Nun wartete er zwischen Seerosen umher, den Blick aufs Wasser fixiert in der Hoffnung den Fisch des Tages zu fangen.

Man kann denken, dass man schleicht, für die meisten Tiere ist das dann immer noch Trampeln, wie der Elefant im Porzellanladen. Wenn einem die Tiere aufgrund der Düfte, die wir ausstrahlen, nicht schon vom weiten gewittert haben.

Der Erfolg der Dame war gleich null, sie kam zu nah. Der Vogel hatte keine Lust auf soviel Nähe und verzog sich lautstark. Ich dachte mir noch nichts dabei.

Irgendwann war ich dann auf meiner dritten Runde. Zwei große Runden um beide Teiche sind jeweils 4 Kilometer, eine um den größeren Teich sind knapp 2,4 Kilometer. Insgesamt 10,4 Kilometer. Eine gute Leistung für jemand, der vor eineinhalb Jahren noch Probleme hatte, einen Brief 20 m vom Auto zum Briefkasten zu bringen.

Etwa dieselbe Stelle, sehr wahrscheinlich derselbe Vogel und leider auch dieselbe Dame. Und wieder zog der Vogel das Weite. Nun war ich sauer. Fotos sind was Tolles. Ich kann mich noch an meinen letzten Nordseeurlaub erinnern, wo ich nahe des Meldorfer Binnenhafens in einem Naturschutzgebiet mit etwa einem halben Dutzend anderer Fotografen stand und deren Objektive neidvoll bewunderte. Objektive, die wertvoller als meine ganze Fotoausrüstung. Stundenlang harrte man still aus, für die eine Chance auf ein gutes Foto.

Manchmal sitzt man mehrere Tage hier und macht gar kein Bild, berichtete mir einer der Männer da vor Ort. Und gab mir gleich den Rat, nichts erzwingen zu wollen.

Normal laufe ich nicht schnell. Jetzt machte ich ein ganzes Stück schneller und passte die Dame am Parkplatz ab und stellte sie zur Rede. Die Ausrede fing eigentlich wie üblich an: „Ich wollte doch nur…“

Ist ok, ich will auch vieles. Aber man sollte sich eins klar sein. Sofern es sich nicht um Pferde, Kühe oder ähnliche Tiere handelt, denen Menschen nicht fremd und die recht bildfüllend sind. Das bekommt man mit dem Handy sicherlich auch noch hin. Bei kleineren Tieren muss man entweder näher ran oder man braucht eine entsprechende Ausrüstung und vor allem viel Ruhe und keine hektischen Bewegungen.

Ob die Dame verstanden hat, dass das, was sie da machte, Blödsinn ist, weiß ich nicht. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass zumindest ein Mensch, wieder etwas mehr Respekt vor dem hat, was da keucht und fleucht.

An den Bruchteichen hab ich schon einiges gesehen. Ich weiß wo Schwäne brüten. Wo dieses Nest ist, werde ich sicher nicht sagen. Am Schwanenteich im nahen Ortsteil Bad Sooden hat auch schon mal ein Schwanenpäarchen gebrütet. Mangels Versteckmöglichkeit in einem Gebüsch nahe einem Weg. Ein Fehler: denn das brütende Elternpaar wurde von zu neugierigen Menschen verscheucht.

Ich weiß auch, wo ein Bussard dort seinen Horst hat. Ja, ich wurde an den Leuchtbergen mal von einem seiner Artgenossen angegriffen und am Hinterkopf verletzt. Aber ich habe keine Angst mehr vor seinesgleichen. Respekt, ja, aber keine Angst. Trotzdem würde ich nie jemanden sagen, wo dieser Horst ist.

Wo man am ehesten Rehe sehen kann, weiß ich genauso, wie wo sich manche Vögel gerne zurückziehen. Vielleicht ein Vorteil meiner Langsamkeit, dass ich nicht als Feind wahrgenommen werde.

Nur selten habe ich die passende Fotoausrüstung dabei. Eine Spiegelreflexkamera, samt Objektivset und Stativ ist sperrig und wiegt doch so einiges.

In so Fällen genieße ich lieber den Moment und sehe dem Tier einfach nur zu als es zu stören. Stören kostet dem Tier Kraft. Es kostet Vertrauen, Vertrauen, das dann fehlt, wenn jemand auch einen solchen Glücksmoment haben könnte.

Also lasst meine Freunde in Ruhe, stört sie nicht und erfreut Euch an dem Moment, wo sie eine gewisse Nähe zulassen.

Foto: canva PRO / Beitragsbild-Layout: canva PRO und Norbert Beck

Rechtschreibung

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Norbert Beck
Einst wollte er nur laufen. Dann kamen gesundheitliche Rückschläge und die Pflege eines Angehörigen, was zu einem jahrelangen Leben am gesundheitlichen Limit führte. Nun ist er wieder auf dem Weg zurück und sagt immer noch: „Ich bin schlank, man sieht doch nichts!“ Seine Ziele: gesünder leben, Kilos verlieren, Spaß haben und irgendwann wieder laufen.