Soll ich zwischen Göttingen und Kassel wählen, wähle ich Erfurt

„Niemals Kassel während der Documenta, auch sonst nicht“, das war ein Rat, den mir ein Kollege gab. Kassel, in meiner Kindheit die Stadt, wo es nur hinging, wenn was Besonderes anstand. Damals fuhren auch noch Züge, besser gesagt ein Schienenbus, direkt nach Kassel.

Danach hat sich in meiner Wahrnehmung so einiges getan.

Wenn ich heute an Kassel denke, dann an eine Stadt, die ich eigentlich nur mit einem Wort beschreiben möchte: hässlich. Im Zweiten Weltkrieg ausgebombt, schaffte man es beim Wiederaufbau eine Bausünde an die andere zu reihen.

Ja, Kassel hat immer noch eine große Einkaufsmeile. Viele der leider austauschbaren Geschäfte haben es aber mittlerweile auch in die Mittelstädte geschafft. Leerstand und austauschbar sind hier das Stichwort.

Will ich mit den öffentlichen nach Kassel muss ich Umsteigen, egal ob mit dem Bus, in Hessisch Lichtenau dann in die Tram oder in Eichenberg oder Bebra mit dem Zug.

Geht es ums Essen, bleibe ich in der Innenstadt an der Nordsee hängen. Schmeckt überall gleich und ist vom gesundheitlichen Aspekt das kleinste Übel.

Ich hab hier zwar einen Laufladen, aber sonst abgesehen von vielleicht C & A in der Innenstadt keine Auswahl, an Läden, die Klamotten in meiner Größe liefert.

Jetzt wird der ein oder andere aber kommen: Kassel hat aber doch einen Bergpark, einen Herkules, die Huskies und den KSV Hessen Kassel.

Dem Bergpark kann ich nicht viel Neues mehr abgewinnen, eher im Gegenteil. Das ist für mich eher das wo das Geld hingeht, wo es in der Fläche im Kassler Umfeld eher gebraucht wird.

Fußball bin ich kein Fan von und beim Eishockey ist mir das Drumherum zu laut und fanatisch. Ein bisschen mehr Demut und Selbstreflexion bei der Vergangenheit täte gut.

Göttingen hält einkaufsmäßig mit Kassel locker mit, abgesehen davon, dass ich hier keinen Laufladen habe. Dafür kann ich besser essen, brauch nicht umzusteigen, und hab in der Studentenstadt auch einige kleinere Lädchen.

Klein, das ist es, was Göttingen für mich aus macht. Für eine große Stadt ist es mir zu klein. Dazu leider mit familiären und persönlichen Erfahrungen in Klinikum negativ behaftet.

Die Alternative für mich ist und bleibt hier einfach Erfurt.

Bei diversen Abstimmungen wurde der Erfurter Weihnachtsmarkt vor dem Dom zu einem der zehn schönsten deutschen Weihnachtsmärkten gewählt.

Die Innenstadt ist durchzogen von alten, historischen Gebäuden.

Es gibt Massen an Läden, auch Läden, die man nicht in jeder Innenstadt einer Großstadt findet. Natürlich auch meinen Lieblingslaufladen.

Ja, ein Besuch in Erfurt ist weitläufiger. Bahnhof bis Dom, das ist zu Fuß schonmal eine Stecke und in den vielen Gassen und Straßen drumherum, findet man so einiges. Kultlokale, Geniesserecken, Orte zum Runterkommen oder Runterkucken.

In Erfurt hatte ich meinen Lungenarzt. Von dort kommt meine Trainerin.

Mit der Bahn ist es schon eine Strecke, Busse fahren nicht und mit dem Auto flucht man manchmal über Baustellen, weil ich lieber Bundesstraße als Autobahn nach Erfurt fahre. Trotzdem als Gesamtpaket ist mir Erfurt näher als die beiden anderen Städte.

Wer nach Erfurt fährt, sollte sich unbedingt den Dom und die danebenliegende Severini-Kirche ansehen, den Petersberg, das Rathaus, die Krämerbrücke mit den vielen Lädchen – in die man reinsehen kann, was darin hergestellt wird -.

Den Ratskeller, so wie ich ihn als Lokal kennengelernt habe, gibt es leider nicht mehr. Gut essen kann man aber auch im Charleston oder Pavarotti. Wenn man italienische Küche mag, denn etwas rustikaler ist das Christoffel, aber auch die Feuerkugel und das vegetarische Billes konnten mich schon begeistern. Ich mag Lokale wo das Essen über vorgekochtem aus dem Großmarkt hinausgeht.

Eis esse ich gerne im Riva. Auf der Balkonterrasse an der Gera lecker Joghurteis mit frischen Früchten. Der perfekte Cooldown. Wobei hier das Eis sogar noch selbstgemacht zu sein scheint. Bei den vielen Eisdielen, die auf vorgefertigte Mischungen, Pasten und Eisansätze setzen, nicht ganz selbstverständlich.

Erfurt ist die Heimat des KiKa – oder lang ausgesprochen Kinderkanals – wo die Maus, der Sandmann, das KiKaninchen und viele andere Figuren zu Hause sind. Jede dieser Figuren hat eine Skulptur in der Innenstadt. Habt Ihr schon alle entdeckt? Neulich traf ich mich mit einer alten Lauffreundin bei der Maus und dem Elefanten.

Einen Regionalflughafen gibt es auch, mehrfach am Tag durch größere Flugzeuge angesteuert und einen Zoo. Bei diesem braucht man zwar am roten Berg keine Kletterkünste, sollte sich aber auf die ein oder andere Steigung einstellen. Im Zoo selbst wurde einiges gemacht. Beim ersten Besuch Anfang der 2000er war viel noch Beton und Platte. Mittlerweile strahlt der Zoo mit natürlich aussehenden Gehegen.

Es gibt Schokomanufakturen, Born-Senf kann man am Wenigemarkt testen. Eigentlich gibt es fast überall was zu entdecken.

Und ich vermute, dass die Simpsons vermutlich nicht in Springfield sondern in Erfurt leben. Bei meinem letzten Besuch in Erfurt habe ich auf der Krämerbrücke einen Linkshänderladen gesehen. Nur Ned Flanders war nicht vor Ort. Gut, würde man mich generell nach meiner Lieblingsstadt fragen, würde ich Hamburg sagen, das ist aber ein ganz anderes Thema.

Foto: canva PRO / Beitragsbild-Layout: canva PRO und Norbert Beck

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Norbert Beck
Einst wollte er nur laufen. Dann kamen gesundheitliche Rückschläge und die Pflege eines Angehörigen, was zu einem jahrelangen Leben am gesundheitlichen Limit führte. Nun ist er wieder auf dem Weg zurück und sagt immer noch: „Ich bin schlank, man sieht doch nichts!“ Seine Ziele: gesünder leben, Kilos verlieren, Spaß haben und irgendwann wieder laufen.